Montag, 25. April 2011

Architektur, Selbstmorde und andere Katastrophen


Der französische Philosoph Paul Virilio sagt, dass jede Technik, jedes Medium seine eigene Unfallart hervorbringt. Mit der Eisenbahn kamen die Zugunglücke, mit der Atomenergie die Größten Anzunehmenden Unfälle (GAUs). Was sind nun die Unfälle, die moderne Architektur hervorbringt? Etwa Hauseinstürze, kollabierende Hochhäuser bei Erdbeben oder gar symbolische Zerstörungen wie die der Twintower am 11. September 2001?
Tatsächlich lassen sich Katastrophen oder singuläre Unglücke direkt mit Architektur in Verbindung bringen. So besteht eine enge Abhängigkeit von Selbstmorden und der modernen Stahlbetonarchitektur. Es ist nicht nur die Höhe von Hochhäusern, die den Selbstmord begünstigt. Auch die Stapelung einsamer Menschen in serieller Betonarchitektur beinhaltet als Fluchtmöglichkeit den Selbstmord, den Sprung von der trostlosen Dachfläche hinunter auf die Teerfläche der Straße. 

Doch auch die in die Höhe entwickelte Bürohausarchitektur kam in der Vergangenheit nicht ohne den klassischen Todesfall aus: Ihr erinnert Euch an alte amerikanische Filme, in denen von Verbrechnern Verfolgte oder auch entdeckte Liebhaber aus den Fenstern stiegen und über die Gesimse der Wolkenkratzer flüchteten. Sich womöglich nur am Zeiger eine riesigen Uhr festhalten konnten. Der Absturz ist Teil der Architektur, das Gesims war ein dekoratives Element und gleichzeitig eine letzte Hilfe für den flüchtenden Mann. 
Den Anschlag auf das World Trade Center in Manhattan am 11. September 2001 kann man ebenfalls als eine architekturinhärente Katastrophe ansehen. Die Twintowers waren so symbolisch aufgeladen, dass sie sich als Ziel anboten. Sie verkörperten ein hochgestellten =(Summe)-Zeichen, sie waren ein Markenzeichen der kapitalistischen Welt. Ihr Zerstörung wurde ein genauso symbolischer Akt. 
Länder und Städte versuchen heute, sich mit symbolischer Architektur zu profilieren – in Manhattan genauso wie in Dubai, Bangkog oder Frankfurt am Main. Doch mit der Lust an den Symbolen steigt das Risiko der Zerstörung. 
Allerdings sollte man nicht denken, dass es immer islamische Terroristen sind, die die westlichen Architektursymbole zerstören. In der Regel sind es die Fanatiker gerade nicht, die sich die zentralen Symbole eines anderen Staates oder einer anderen Kultur aussuchen. In der Türkei hat der Staatspräsident angeordnet, dass ein Denkmal für die türkischen Verbrechen an die Armenier wieder abgerissen wird. In Berlin hat der westdeutsche Staat angeordnet, den als wichtigsten Gebäude der DDR hochgezogenen Palast der Republik bis auf den letzten Stein zu beseitigen. Und am 11. September fand in New York eine so chirurgische Beseitigung des World Trade Centers statt, dass man an einen terroristischen Hintergrund zweifeln darf. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Terroristen immer größtmöglichen Schrecken auslösen wollen, dass sie eine Bevölkerung verängstigen wollen. Ein erster Anschlag auf das World Trade Center entsprach insofern den Erwartungen. Aber der zweite Einschlag einer Passagiermaschine in den benachbarten Tower passt nicht ins Bilder des terroristischen Verhaltens. Die Gefahr, dass eine zweite Maschine entweder das Ziel verfehlt oder nur einen zerstörten Ort weiter zerstört, war groß, Terroristen hätten meiner Ansicht nach die zweite Maschine an einen andere Ort einschlagen lassen, hätten versucht, überall in der Stadt Panik zu verursachen. 
Die Konzentration von zwei Anschlägen auf einen Gebäudekomplex lässt dunkle Vermutungen wachsen. Waren es die amerikanische Stellen, die das World Trade Center gezielt beseitigt haben? Moderne, gerade symbolische und staatstragende Architektur trägt die Gefahr der Zerstörung bereits in sich. Je symbolischer ein Bauwerk, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich ändernde Staatsformen oder dass es perfide politische Strategien nicht überlebt. 
Das Schleifen der Architektur ist in aller Regel kein terroristischer Akt, sondern eine staatstragende Strategie. 

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